Schneider sprach auf DGB-Kundgebung in Dorsten: Bündnis Schule-Beruf gründen!

Arbeit und Wirtschaft


Dr. Hans-Udo Schneider spricht vor mehr als 100 Gästen zum 1. Mai.

Wenn nicht jetzt – wann dann? In der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit kehrte der DGB mit einer Veranstaltung zum 1. Mai nach Dorsten zurück. "Selten war bei uns der Kampf für Arbeitnehmerrechte so notwendig wie in diesen Zeiten der Krise und des Sozialabbaus." begrüßte Karlheinz Auerhahn von der IGBCE am Donnerstag die mehr als 100 Gäste im Evangelischen Gemeindehaus.

„Arbeit für alle bei fairem Lohn“
lautet das diesjährige Motto der Gewerkschaften zum Tag der Arbeit. Wie es zu der Krise kommen konnte, was jetzt getan werden muß – dazu sprach Dr. Hans-Udo Schneider. Wer den Bürgermeisterkandidaten Schneider erwartet hatte, sah sich getäuscht. Keine Wahlkampfparolen – Schneider sprach als Gewerkschafter. Und nahm hier kein Blatt vor den Mund, hatte kein Scheu, sich mit „seiner“ Partei („Hartz IV gehört weg“) und „seiner“ Kirche (kein weiterer Sozialabbau – „es gilt auch für den Bereich der Kirchen, von Diakonie und Caritas“) anzulegen.

Gründe der Krise? Sie ist auf keinen Fall einfach so über uns hereingebrochen – so Schneider – „Das ist Volksverdummung“. Die Ursachen sind hausgemacht – Umverteilung von unten nach oben und eine nicht mehr zu befriedigende Gier nach Rendite. Dazu Eliten, die sich mehr um das Wohl von Banken kümmern als um das Gemeinwohl.

Was ist zu tun? Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen wieder für ihre Rechte kämpfen. Das geht nur mit starken Gewerkschaften. Schneider rief dazu auf, in Gewerkschaften einzutreten, Betriebsräte zu gründen. Nur so lässt sich die Spaltung unserer Gesellschaft aufhalten und „Arbeit für alle bei fairem Lohn“ umsetzen.

Zum Schluß regte Schneider zwei konkrete Projekte in und für Dorsten an. Zum einen die Gründung eines neues DGB-Ortsverbandes in Dorsten, zum anderen ein Bündnis Schule im Übergangsfeld zum Beruf. Heimische Wirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Kirchen und Sozialverbände sollen sich zusammenschließen, um jedem ausbildungswilligen Jugendlichen dieser Stadt auch eine Lehrstelle zu garantieren. Ein entsprechendes Konzept wurde bereits in Gladbeck unter Mitwirkung von Dr. Hans-Udo Schneider entwickelt.

Die Rede zum 1. Mai von Dr. Hans-Udo Schneider:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
meine Damen und Herren

Erinnern und nicht vergessen! Eine Gesellschaft, die nicht in die Irre laufen will, muss sich ihr Gedächtnis bewahren.
So ist das auch mit dem 1. Mai. Deshalb haben sich Kolleginnen und Kollegen der IGBCE Gruppen aus Dorsten verständigt und gesagt: Es kann nicht angehen, dass in einer Stadt mit fast 80 000 Einwohnern und einer über hundertjährigen Bergbaugeschichte der 1. Mai als Tag der Arbeit keine Rolle mehr spielt.

Das käme einem Verrat an den Menschen, die vor uns in dieser Stadt Über- oder Untertage gearbeitet haben, gleich. Und es wäre auch ein Versagen gegenüber den jungen Menschen und den nachkommenden Generationen.

Von daher bin ich dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften sehr dankbar, dass er diese Veranstaltung organisiert hat. Gerne habe ich die Einladung angenommen, hier heute zum Motto des 1. Mai : „Arbeit für alle bei fairem Lohn“ zu sprechen.

Für uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ist der 1.Mai tatsächlich eine besondere Verpflichtung.

Denn es war im Jahre 1889 als in Paris 400 Delegierte von Arbeiterparteien und Gewerkschaften zu einem internationalen Kongress zusammen kamen.
Sie hatten nicht vergessen, dass 3 Jahre zuvor, am 1.Mai 1886, in den Vereinigten Staaten ein Generalstreik geführt wurde. Es ging um die Durchsetzung des 8 Stunden Tages. Die Streikenden wurden brutal nieder geknüppelt. Es gab Tote und Verletzte.

Aus Solidarität mit den Menschen, die um ihre Rechte kämpften, beschlossen die Delegierten, den 1.Mai 1890 als Tag einer weltweiten Demonstration zur Durchsetzung des 8 Stunden Tages. Es ist gut, wenn wir das nie vergessen!

Keiner konnte damals ahnen, dass daraus eine bisher 119 jährige Geschichte des 1. Mai werden würde.

Und das ist die Erfahrung: Nichts aber auch gar nichts fällt vom Himmel, wenn es um Freiheit und Gerechtigkeit, wenn es um Arbeit und die Würde des Menschen geht.
Alles muss erkämpft werden!

Und einmal erworbene Rechte werden wieder einkassiert, wenn die Menschen in den Betrieben, in den Büros und Verwaltungen, die Bürgerinnen und Bürger nachlassen, sich dafür aktiv einzusetzen : für Arbeitszeitreduzierung für Mitbestimmung, für Tarifverträge; für Kündigungsschutz und gute „Arbeit für alle bei fairem Lohn“.

Fast könnte man sich in die Anfänge der Industrialisierung zurück versetzt fühlen. Immer öfter dringt der Angstschweiß der Beschäftigten in die Schlagzeilen. Wir hören und lesen tagtäglich von Einschüchterung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen durch Bespitzelung und Überwachung.

Bei der Deutschen Bahn steht selbst der Gleisarbeiter unter dem Verdacht korrupter Absichten. Bei Lidl, Schlecker, Müller und anderen ist das Misstrauen gegen die eigenen Mitarbeiter so ausgeprägt, dass jedes Mittel zu ihrer digitalen Überwachung recht ist.

Das scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Da muss eine Mitarbeiterin ihren Arbeitsplatz nach jahrzehntelanger Tätigkeit räumen, weil 1,30 € in der Kasse fehlen. Auf der anderen Seite fahren Banker ihre Institution vor die Wand und bekommen als Dankeschön eine Millionenabfindung.

Für die Gnade eines Arbeitsplatzes und einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohns muss heute vielfach auch noch die Verpflichtung unterschrieben werden, keiner Gewerkschaft anzugehören. Millionen Menschen können von ihrer Arbeit nicht mehr leben, sind auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen. Das Normalarbeitsverhältnis mit unbefristetem Arbeitsvertrag wird immer mehr zum Sonderfall.

Wo sind wir hingekommen?

Kein Zweifel, der Faktor Arbeit ist in den letzten 15 - 20 Jahren massiv unter die Räder gekommen.

Wohin das führt, wenn man die Akteure der Wirtschaft sich selbst überlässt, wenn Demokratie vor den Werkstoren und Bürotüren aufhört, das erleben wir jetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Jahr erinnern wir mit Recht und auch mit Stolz an 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland und an 60 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund.

Heute wissen wir, ohne die Zerschlagung der machtpolitischen Positionen von Adel und Militär und der alten Eliten wäre die Entwicklung eines demokratischen Rechtsstaates nicht möglich gewesen. Das war ein langer Prozess.

Wir wissen aber auch, viele unserer heutigen Probleme rühren daher, dass sich neue Eliten herausgebildet haben. Sie betrachten Gesellschaft und Staat als ihr Eigentum, über das sie frei verfügen können. Diese Eliten in Wirtschaft, Medien und Politik haben – so sagt es Wilhelm von Sternburg, ehemaliger Chefredakteur beim Hessischen Rundfunk und heutiger Schriftsteller, sie haben stets das Wohl der Banken, aber nur selten das Gemeinwohl vertreten.

„Manager denken nicht an ihre Mitarbeiter und langfristige gesellschaftliche Entwicklungen, sondern an ihre Bonuszahlungen und Millionenabfindungen.

Politiker verkaufen ihre Seelen und ihre Wahrheiten, um die Macht nicht zu verlieren. Man sagt gerne: Es seien nicht alle so. Das stimmt, aber das ist nicht die Frage. Es geht darum, wie das System funktioniert?
Fördert es den Egoismus und die Raffgier der Eliten oder fordert es ihre Einsatzbereitschaft für die Gesellschaft? Hier ist in den letzten zwei Jahrzehnten vieles schief gelaufen.“ So weit Wilhelm von Sternburg

Das müssen wir uns noch genauer anschauen.

2005 hieß das Motto zum 1. Mai: „Du bist mehr. Mehr als eine Nummer. Mehr als ein Kostenfaktor. Du hast Würde. Zeig Sie!“
Heute heißt das Motto: „Arbeit für alle bei fairem Lohn“
Beide Formulierungen bringen es auf den Punkt, zeigen, worauf es ankommt.

Es geht darum, ob wir es zulassen, dass der Sozialstaat in unserem Land systematisch diffamiert und Stück für Stück weiter demontiert wird. Schon jetzt gibt es Stimmen aus dem Wirtschaftsrat der Union, sich ganz aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen zu verabschieden.

Es geht darum, ob wir es zulassen, dass eine Clique von Profiteuren sich dieses Land unter den Nagel reißt und die Autorität des Staates untergräbt? Ein Land, das durch den Fleiß, die Leistung von Millionen Menschen nach völliger Zerstörung wieder aufgebaut wurde.

Wir sagen Nein zu der neoliberalen Auffassung vom: schlanken Staat, von immer weniger Steuern für Großverdiener und Unternehmen, von freien Märkten und ungebremster, persönlicher Bereicherung; dieses Geschäftsmodell ist mit dem Sozialstaat nicht vereinbar. Es ist grandios gescheitert.

Sie hat die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gedrängt.

Die zehn biblischen Plagen, die der Gott des Volkes Israel über die Ägypter brachte: nämlich vergiftete Brunnen, Stechmücken, die schwarzen Blattern, Viehpest, Froschlawinen, Heuschreckenschwärme und eine Sonnenfinsternis, all das ist unbestätigte Geschichte. Darüber wird im zweiten Buch Moses im Alten Testament berichtet.

Dass aber Milliarden Menschen heute Hunger leiden, dass das Klima zu kollabieren droht, dass die globale Finanzkrise unvorstellbare Billionenverluste verursacht und inzwischen auch Millionen Arbeitsplätze verloren gehen, ganze Industriezweige weg brechen und die Masseneinkommen weiter sinken, das alles sind Tatsachen, das ist Realität des gegenwärtigen kapitalistischen Weltsystems.

Mit großem Staunen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass unvorstellbar viel gutes Geld in das Finanzsystem gepumpt wird. Es soll schlechtes, kontaminiertes Geld neutralisieren, das System vor dem Kollaps zu retten.
Auf der anderen Seite wurde jahrelang erzählt, für Maßnahmen gegen Hunger und Armut, gegen den Klimakollaps, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für mehr Bildung gebe es kein Geld.
Heute wissen wir, ein Bruchteil der jetzt eingesetzten Summen hätte genügt, um gewaltige Schritte nach vorne machen: Menschen Arbeit und Brot zu geben, Aids und andere Seuchen zu bekämpfen, die Klimawende einzuleiten.

Wenn es sie überhaupt jemals gegeben hat, dann sind die moralischen Ansprüche der finanzgetriebenen Globalisierung endgültig zusammengebrochen. Und uns wurde lange Jahre eingehämmert, das müsse alles so sein, davon würden schließlich alle von profitieren, dieser Weg sei alternativlos. Ein unglaubliches Szenario. Und dieselben Herren, die das jahrelang gepredigt haben, sie schämen sich nicht etwa, nein sie laufen mit geschwellter Brust durch die Lande und fordern weitere Entlastung für die Unternehmen, niedrigere Steuern für alle. Ich frage, wie soll das denn funktionieren? Wo ist die Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation? Die völlig entfesselte Marktwirtschaft nennen sie kurzerhand Soziale Marktwirtschaft. So einfach ist das.

Davor können wir doch nicht die Augen verschließen. Auch deshalb ist der 1. Mai so wichtig. Wie konnte es dazu kommen? Was muss sich ändern? Und wer zahlt die Zeche?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Politik, die hier glaubwürdige Alternativen anbieten will, die muss zuerst einmal sagen: Wir haben uns geirrt!
Wir sind den Heuschrecken nachgelaufen. Wir haben ihnen sogar den roten Teppich ausgelegt. Wir haben vorhandene Regulierungen abgebaut, Beschränkungen des internationalen Kapitalverkehrs beseitigt. In Deutschland haben wir ab 2004 per Gesetz den hochspekulativen Hedgefonds die Türen geöffnet. Es gehört also zu den Legenden, wenn sich jetzt die Politik als Opfer darstellt.

Sie kann nicht sagen, das ist alles über uns hereingebrochen, wie ein Tsunami, wir konnten es ja nicht ahnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind noch nicht einmal Märchen, das sind schlicht und einfach Lügen. Das ist Volksverdummung.

Die jetzt offenbar gewordene Krise hat zwei klare Ursachen:

1. Seit 30 Jahren haben wir in den westlichen Industrienationen eine anhaltende Umverteilung von Einkommen. Oben kommt immer mehr Geld an, das nicht wieder produktiv reinvestiert werden kann, vor allem deshalb, weil unten zu wenig Geld bleibt, um zusätzliche Güter und Dienste zu kaufen.

2. führt die zunehmende Privatisierung der Alterssicherung dazu, dass Versicherungsbeiträge, die früher unmittelbar an RentnerInnen ausgezahlt wurden, jetzt erst für ein paar Jahrzehnte auf den Kapitalmärkten angelegt werden.

Die Anleger erwarteten nun für die vor allem in Fonds angesammelten Milliardenbeträge hohe Renditen. Mit zwei drei Prozent gab sich niemand mehr zufrieden. Auf dem traditionellen Weg der Produktion war dies nicht möglich.

Jetzt traten die Finanzinvestoren auf den Plan und entwickelten immer neue Produkte, um das Geld der Eigentümer zu vermehren. Niemand verstand mehr, was hier entwickelt wurde, die Banker auch nicht. Die Finanzwirtschaft löste sich fast völlig von der Realwirtschaft. So kam immer mehr Luft in die Blase, bis sie platzen musste.

Wir verstehen jetzt: warum Löhne immer weiter gedrückt wurden, warum die Arbeitszeit verlängert statt gekürzt wurde. Wir verstehen jetzt, warum die Sozialversicherungssysteme für die Privatwirtschaft geöffnet wurden, wir verstehen den Abbau von Arbeitnehmerrechten, von Mitbestimmung, wir verstehen jetzt den gnadenlosen Umgang und den Raubbau an der Natur.

Alles diente dazu, die unersättliche Gier Weniger zu befriedigen. Das war System.
Und das muss hier auch einmal gesagt werden: Wir haben uns alle – der eine mehr, der andere weniger in dieses System der Zerstörung einspannen lassen.

Umverteilung, Privatisierung und Deregulierung haben zum Aufstieg des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus geführt. Damit verbunden unvorstellbarer Reichtum und politische Macht in Händen einer kleinen Elite von Konzernen und reichen Familien, in deren Auftrag die Finanzinvestoren handeln.

Wer langfristig stabile Finanzmärkte schaffen will, der muss nicht nur die Spekulation eindämmen, der muss vor allem die Masseneinkommen stärken, der muss Mindestlöhne einführen und der muss die Alterssicherung armutsfest machen. Das heißt, sie muss auf breite Füße gestellt werden, für alle gelten, für Beamte und Politiker gleichermaßen und sie muss vor allem dem Kapitalmarkt entzogen werden.

Das stärkt die Binnennachfrage. Es wäre ein Konjunkturprogramm für Handwerk und Gewerbe und macht uns weniger abhängig von den Exporten, die jetzt als Folge der Finanzkrise eingebrochen sind. Hier würde ich mir eine neue Kampagne des DGB, aller Einzelgewerkschaften mit den Sozialverbänden, mit den Kirchen, mit attac und anderen wünschen. Denn sonst Gnade uns Gott, mit dem jetzigen System steuern wir in einigen Jahren in eine massive Altersarmut.

Wer der drohenden Krise auf dem Arbeitsmarkt begegnen will, 5 Millionen registrierte Arbeitslose werden ja jetzt schon nicht mehr ausgeschlossen, der muss handeln und zwar jetzt. Der Leiter des Instituts für Arbeit und Technik Prof. Gerhard Bosch stellt hier Forderungen, die sich mit denen des DGB und der Einzelgewerkschaften weitgehend decken:
Dazu zählen:
- Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld sollte auf 24 Monate ausgedehnt werden. Firmen, die die Ausbildungskapazität in den nächsten zwei Jahren aufrecht erhalten, kann man die Sozialversicherungsbeiträge erlassen. (Gestern ist ein solcher Beschluss durch die Bundesregierung gefasst worden)
- Zur Vermeidung von Entlassungen sollten Unternehmen ihren Beschäftigten vorübergehende Freistellungen von einigen Wochen bis hin zu einem Sabbatjahr anbieten. Der Staat könnte solche Auszeiten durch Übernahme eines Teils der Sozialabgaben attraktiver gestalten, wenn der Betrieb den anderen Teil übernimmt.
- Ganz hohe Bedeutung kommt der Verlängerung des Arbeitslosengeldes von einem auf zwei Jahre zu. Ansonsten werden viele Arbeitslose in Hartz IV landen. Sie verlieren dann nicht nur ihren Arbeitsplatz sondern auch noch ihr Erspartes.
- In der jetzigen Krise auf dem Arbeitsmarkt verliert der durch Hartz IV organisierte Druck auf Arbeitslose jeden Sinn. Es fehlen schlicht die Arbeitsplätze, um die sich jemand bemühen könnte. So weit Prof. Bosch.

Hartz IV gehört weg. Es ist ein bürokratisches Monster und hat auf der gesamten Linie den Praxistest nicht bestanden. Die Ein Euro Jobs sind ethisch nicht verantwortbar, sie sind Ausdruck marktradikalen Denkens.
Wir brauchen neben dem 1.Arbeitsmarkt die öffentlich geförderte Arbeit, also neben Markt und Staat die zivilgesellschaftliche Arbeit. Hier ist Arbeit im Übermaß vorhanden. Menschen, die sich so für die Gesellschaft, im Sozial und Kulturbereich, im Umweltschutz, in der Pflege und vielen anderen Gebieten betätigen, erhalten einen Arbeitsvertrag, sie werden aber vergleichbar mit den Beamten nicht entlohnt sondern alimentiert. Das dazu notwendige Geld wird durch eine Vermögensabgabe auf große Vermögen aufgebracht.

Wir sagen: Arbeit ist genügend vorhanden. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, den gesellschaftlichen Reichtum so einzusetzen, dass sie auch bezahlt werden kann.
Nur über einen solchen Weg können wir dem Ziel Arbeit für alle näher kommen.

Allein über Wachstum Vollbeschäftigung zu erzielen ist ein Irrweg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
Unter dem Motto: Arbeit für alle bei fairem Lohn, frage ich weiter:
Ist es mit der Würde der Menschen vereinbar, wenn Kranke und Alte
jetzt zu Kunden werden, deren Behandlung sich zunehmend am Geldbeutel oder der Art der Versicherung orientiert?

Der Pflegenotstand in Krankenhäusern und Altenheimen kann nicht mehr geleugnet werden. Die Leistungsverdichtung führt immer mehr zu chaotischen Verhältnissen. Der Konkurrenzdruck wird auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen, noch dazu bei einer Bezahlung, die zum Himmel schreit.

Schon jetzt warnen die Sozialverbände, dass bereits in kurzer Zeit Pfleger, Sozialarbeiter, Erzieher im großen Stil fehlen werden. Die Probleme sind hausgemacht.

Es geht nicht an, sonntags von mehr und besserer Erziehung, Bildung und Pflege zu sprechen und im Alttag genau das Gegenteil zu tun. Warum arbeiten in unseren Kindertagestätten kaum Männer? Ganz einfach, weil sie davon nicht leben können. Wenn aber Männer davon nicht leben können, wie so sollen denn Frauen damit auskommen?

Allein diese Überlegung zeigt die ganze Perversität unseres Denkens. Selbst im 21. Jahrhundert sind wir von der Gleichstellung von Mann und Frau meilenweit entfernt. Und es zeigt, welchen Stellenwert wir tatsächlich der Erziehung, der Pflege, Alten und Kranken beimessen.

Ob es helfen würde, wenn Politiker gezwungen würden, jedes Jahr einmal für eine Woche auf einer Pflegestation, in einer Kindertagesstätte in einer offenen Ganztagschule zu arbeiten, mit dem Bus zur Arbeit zu fahren, den Anblick, den Geruch, die Geräusche, das Verhalten der Menschen zu erfahren? Würden sie vielleicht dann ein wenig besser verstehen, was sie mit ihren Entscheidungen bewirken.

Mindestens genauso wichtig ist es aber, dass die Beschäftigten begreifen: Ohne starke Gewerkschaften geht gar nichts. Nur über die Gegenmacht starker Gewerkschaften, nur über Betriebs- und Personalräte, kann weiterer Sozialabbau verhindert werden.

Das gilt für alle Arbeitsbereiche! Und das sage ich hier ganz deutlich, es gilt auch für den Bereich der Kirchen, von Diakonie und Caritas.

Auch, weil es dort mittlerweile Arbeitsplätze gibt, die im Grenzbereich von Niedrig- Armutslohn liegen. Mit meinem Verständnis des Evangeliums ist das nicht vereinbar.

Deshalb kann es jetzt nur heißen: Mitglied im DGB, den Einzelgewerkschaften werden! Deshalb jetzt Betriebsräte gründen! Nur so lässt sich „Arbeit für alle bei fairem Lohn“ umsetzen. Wenn das nicht geschieht, dann wird sich die Spaltung in unserer Gesellschaft fortsetzen. Wer es schwarz auf weiß haben will, der lese die in regelmäßigen Abständen veröffentlichten Armuts- und Reichtumsberichte.

Tatsache ist: Armut zerstört Lebenschancen, beeinträchtigt die Würde des Menschen. Armut wächst bei uns – parallel zum Wachstum des Reichtums, der Konzentration von Vermögen und Einkommen in Händen weniger.

Überall kann man sie beobachten. Auch hier bei uns an Emscher und Lippe und in dieser Stadt. Menschen in Armut haben eine deutlich niedrigere Lebenserwartung; sie sind häufiger krank, fallen durch Mangel- und Fehlernährung auf, schlechte Schul- und Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit.
Das Schlimmste aber ist der gesellschaftliche Ausschluss; abgehängt, vergessen worden zu sein. Wen wundert es da noch, dass bereits mehr als ein Viertel der Wahlbevölkerung durch Politik überhaupt nicht mehr ansprechbar ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Problemen kann man nicht mit Suppenküchen, Kleiderkammern, Benefiz – Konzerten und Almosen beikommen. So wichtig dies im Einzelfall auch sein mag.
Ich sag es einmal ganz deutlich: wer mit dazu beiträgt, dass Arme ärmer und Reiche reicher werden und dann mit der Sammelbüchse rumläuft, der diskriminiert und verachtet die Armen;
Wer den Armen zu ihrem Recht verhilft und zusätzlich sammelt, der handelt menschlich.

Armut muss also an der Wurzel bekämpft werden, dazu braucht es politische Maßnahmen.

Und hier haben die Regierungen seit Jahren versagt, versagt auf der ganzen Linie.
Jahr für Jahr fordern die Städte und Gemeinden von der Politik eine durchgreifende Gemeindefinanzreform. Egal ob schwarz oder rot, egal ob große Koalition, geschehen ist an dieser Stelle nichts. Die fehlende Finanzreform ist ja mit eine der Ursache dafür, dass Städte und Gemeinden auf neoliberale Wahnsinnsideen eingestiegen sind: wie Cross Border Leasing, Spekulationsgeschäfte, Verkauf von Tafelsilber, Ausgliederung und Privatisierung von zentralen kommunalen Aufgaben. Jetzt müssen wir die Zeche dafür bezahlen.

Das von der Bundesregierung aufgrund der Finanzkrise aufgelegte Förderprogramm geht zwar in die richtige Richtung ist aber für die Städte an Emscher und Lippe, für Dorsten nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn im Kreis Recklinghausen drei Prozent der NRW Bevölkerung leben aber neun Prozent aller Hartz IV Empfänger, dann brauchen wir hier einen dauerhaft angelegten Finanzausgleich.

Die Banken werden von Risiken befreit, die sie selbst verschuldet haben. Kommunen aber, die unverschuldet in Not geraten sind, die staatliche Aufgaben für die Bürger erfüllen, die lässt man absaufen. So geht das nicht!

Jetzt müssen die Versprechungen eingehalten werden, diese Region und damit auch Dorsten nicht im Stich zu lassen. Die CDU geführte Landesregierung scheint das völlig vergessen zu haben. Da ist es schon bemerkenswert, die hier in Dorsten mit absoluter Mehrheit regierende CDU sieht sich veranlasst, im Verbund mit den anderen Städten des Kreises gegen die eigene Landesregierung zu klagen. Gleichzeitig ruft sie zu ihrer Wahl auf. In der Sprache der Psychiatrie nennt man das Schizophrenie.

Wir haben in Dorsten Bereiche, wo die die Probleme von Armut, Arbeitslosigkeit, fehlender Kaufkraft, Rückzug von Einzelhandel besonders augenfällig sind. Am Beispiel des Zechengeländes, am Beispiel der Neuen Stadt Wulfen zeigt sich, dass wertvolle Zeit verschlafen wurde, viele Probleme einfach nicht zur Kenntnis genommen, vor allem die Bürgerschaft zu wenig einbezogen wurden. Auch das führt zu Rückzug, zur Spaltung der Gesellschaft. Alle Symptome, die wir beobachten können, sprechen für eine sehr ernste Lage.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Mangelnde Integration wird auch in der Bildungspolitik deutlich. Als Gewerkschafter fordern wir: Beste Bildung für alle! Für alle heißt, dass diejenigen, die die Gesamtschule wählen genauso gestellt werden müssen, wie diejenigen, die das Gymnasium wählen. Wer das nicht tut, der betreibt Klientelpolitik.

Wer ein Schulsystem gesund beten will, das im Kern krank ist, der handelt unverantwortlich. Der will Privilegien Weniger schützen. Wenn gesagt wird, Bildung sei unser entscheidendes Kapital, dann dürfen wir nicht länger eine Schul- und Bildungspolitik betreiben, die weit unter unseren Möglichkeiten liegt. Das Schulsystem selektiert nach sozialer Lage, nicht nach Intelligenz und Fähigkeiten. Das lassen wir uns nicht länger gefallen. In keinem anderen europäischen Land ist das so pervers wie in Deutschland.

Der entscheidende Faktor für die Integration von Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft liegt in der Bildungspolitik. Pisa lässt grüßen!

In diesem Land und in dieser Stadt wird schulisch das Gegenteil von Integration gemacht, nämlich Ausgrenzung und Beschämung. Hier erwarte ich von Gewerkschaften, den Kirchen, den Parteien, dass sie sich mehr als bisher einmischen. Und zwar für beste Bildung und Ausbildung für alle Menschen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich finde es gut, wenn mit dieser Veranstaltung heute ein neuer Anfang gemacht wird. Auch für die Gründung eines neuen Ortsverbandes des DGB. Wir brauchen die Stimme der Arbeit.

Wir sollten uns konkret einmischen in Fragen der Stadtplanung, die Gestaltung des Zechengeländes, die Bekämpfung der Armut, für mehr Ausbildungsplätze, für eine Stärkung der heimischen Wirtschaft.
Wie wäre es, wenn sich die heimische Wirtschaft, Handwerk, Gewerbe mit den Kirchen und den Sozialverbänden zu einem Bündnis Schule im Übergangsfeld zum Beruf zusammenschließen würden und jedem Jugendlichen in dieser Stadt, der einen Ausbildungsplatz, auch einen solchen garantiert.

Ehrenamtliche würden die Jugendlichen vorbereiten und begleiten, bis sie den Abschluss erreicht haben. Dazu haben Gewerkschafter in Gladbeck zusammen mit mir und anderen schon einmal eine Konzeption erarbeitet.

Das wäre ein konkreter Beitrag zum sozialen Frieden. Lasst uns gemeinsam darüber nachdenken.

Euch allen einen guten 1. Mai und ein herzliches Glück Auf.

 

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Termine

SPD Ortsverein Altendorf-Ulfkotte

OV Vorsitzende

Nina Horbelt

Nina.Horbet@spd-dorsten.de

 

Stadtverband

Stephan Erbe                                                                                                                    komm. Stadtverbandsvorsitzender

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Fraktionsvorsitzender

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