Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender und Vizekanzler.
Sicherheit ist ein ursozialdemokratisches Thema. Denn: Normale Menschen sind auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen. Nur sehr Reiche können sich private Sicherheit kaufen. Natürlich kann der Staat keine absolute Sicherheit garantieren, aber er muss alles tun, um Unsicherheiten zu verringern.
In den Konzepten von CDU/CSU und der SPD gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede. CDU/CSU konzentrieren sich ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen. Sozialdemokraten wissen: Erst im Zusammenspiel von Prävention, Stärkung des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft und der Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz entsteht ein höheres Maß an Sicherheit.
Auch die SPD sieht gesetzlichen Handlungsbedarf, z. B. bei verstärkter Videoüberwachung öffentlicher Räume oder der Verhängung von Abschiebehaft für ausreisepflichtige Gefährder bis zu deren endgültiger Ausweisung. Wer sich aber nur auf die Gesetzesverschärfung konzentriert, wird die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger enttäuschen. Scheinlösungen wie Transitzonen im Kampf gegen islamistischen Terror müssen wir verhindern. Denn tatsächlich haben sich alle Täter des Jahres 2016 nach der Einreise radikalisiert und nicht vorher. Unser Problem besteht also im „home grown“ Terrorismus. Der aber ist mit Transitzonen nicht zu bekämpfen.
Ich weiß, dass schnell die Sorge auftaucht, solche Maßnahmen seien ein Weg in einen autoritären Staat, der am Ende die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger beschneidet. Aber die Wahrheit ist: Unser demokratischer Rechtsstaat hat diese beschworenen Gefahren nie eintreten lassen. Auch nicht in der Phase harter staatlicher Maßnahmen im Kampf gegen die RAF. Der Grund ist so einfach wie beruhigend: Wir haben eine sehr funktionstüchtige Verfassungsgerichtsbarkeit und übrigens auch – anders als in der Weimarer Republik – eine wache Bürgergesellschaft und eine überzeugt demokratische Polizei und Justiz. Darauf darf man in der erwachsenen deutschen Demokratie durchaus vertrauen.